Eine afrikanische Oper
von Hans Huyssen und Ilija Trojanow

Wer sind wir im Spiegel der anderen?

Blindheit, Schlaf, Sorge und Tod stehen in großen Schauvitrinen. Es sind afrikanische Masken in einem europäischen Museum, einzigartige Kunstschätze und Trophäen eines stolzen Kurators, jedoch für ihn letztlich weiter nichts als Artefakte. Für den Griot, einen afrikanischen Ältesten und Geschichtenerzähler, bedeuten sie jedoch weitaus mehr. Er kennt jede ihrer Geschichten, die sich ihm bei ihrem Anblick wieder lebhaft einprägen. Er berührt die Masken der Reihe nach und befreit sie so von jenem Fluch, der sie zu leblosen Figuren erstarren ließ. Wieder im Besitz ihrer Kräfte, erscheint den Masken ein weiterer Aufenthalt im Museum kaum angebracht. So beschließen sie zu fliehen und einen Weg zurück in die Heimat zu finden.

Es folgt eine Odyssee durch die Wirren einer anonymen Großstadt. Die Masken machen verschiedene Bekanntschaften, die zu unerwartet intensiven Begegnungen werden, jedoch mit der erneuten Festnahmen der vermeintlich illegalen Fremden, und diesmal im wirklichen Gefängnis enden. Die nun drohende Abschiebung bringt sie ihrer ersehnten Heimkehr unverhofft näher, jedoch stellt sich der herbeigerufene Kurator entschieden dagegen, in der Meinung, die Kunstwerke seien unveräußerlich und stünden ihm und seiner Sammlung zu. Bis sich Phakade einschaltet – die Maske der steten Veränderung – und damit die Auseinandersetzung auf eine ganz andere Ebene hebt…

MASQUE ist ein dichtes und vielschichtiges Opernspektakel mit lebensgroßen Masken, Tänzern, schwarzen und weißen Sängern in jeweils spezifisch europäischen und afrikanischen Partien und einem dreigeteilten Orchester: ein Kammerensemble von konventionellen modernen Instrumenten wird um eine Gruppe traditioneller afrikanischer Musiker, als auch ein europäisches Barockensemble (auf Alten Instrumenten) erweitert.

Dieses mit Unterstützung der Pro Helvetia Stiftung für das Opernhaus Kapstadt geschriebene südafrikanische Werk nähert sich den Herausforderungen interkultureller Begegnung auf eigenwillige Weise. Anders als bei den inzwischen häufig anzutreffenden und oft etwas willkürlich zusammengewürfelten “cross-cultural” Potpourris, beleuchtet es vor allem die Unterschiede zwischen ‘afrikanischer’ und ‘europäischer’ Musik mit dem Anliegen, beiden Seiten ein Forum für einen authentischen Ausdruck in unmittelbarer Nachbarschaft zu ermöglichen. In diesem Spannungsverhältnis bleiben große Kontraste bestehen und werden für eine musikalische Form fruchtbar, die grossteils gerade davon bestimmt wird. Kein vorab postulierter gemeinsamer Nenner wird beschworen, sondern die Gemeinsamkeiten nach und nach erst durch die Gegenüberstellung entdeckt und durch detaillierte Behandlung des äußerst vielschichtigen Materials herausgearbeitet.