Musik-Geschichten über einige Lieder der Latozi Mpahleni, alias Madosini
für Madosini (Stimme, uhadi, umrhubhe, isitolotolo)
Klarinette, Streichquartett und Erzähler
– Auftragswerk des International Classical Music Festival, South Africa 2002)
(UA 15.8.02, State Theatre, Pretoria)
- Uthando lundahlule, luphelile Nozimama (Mit der Liebe ist es aus)
- Umjeko (Die Prozession)
- Imfihlelo (Das Versteckspiel)
- Nokuba ndiluhule (Obwohl ich Männer mag, bin ich doch nicht deine Frau)
- Loliwe ukusuka eMtata, Mabela to Cape Town (Die Eisenbahn von Umtata nach Kapstadt)
- Ndibona uMadiba Sophitsho (Ich sehe Madiba)
- Hlakula ntokazi uhlal’luthi awulinyelwa (Jäte nur, du Alte!)
Madosini ist eine schwarze Südafrikanerin, eine schon etwas ältere aber noch sehr rüstige Pondo – nach westlicher Anschauung eine Analphabetin, die zudem nur Xhosa spricht – jedoch eine lebhaft Geschichtenerzählerin, mit blitzenden Augen und dem Schalk im Nacken. Vor allem aber ist sie eine urtümliche Musikerin, von einem Schlag, wie es ihn nur ganz selten noch gibt. Ihre Kunst ist absolut frei von westlichen Einflüssen, nicht zuletzt, weil ihr diese Welt schlicht und einfach großteils verschlossen blieb. Was für sie sicherlich häufig von großem Nachteil ist, gereicht ihr doch in dieser Hinsicht zum Vorteil, macht es sie doch zu einer der wenigen Exponenten wirklich ursprünglicher amaMpondo Musik. Sie legt selbst großen Wert darauf zu betonen, daß sie alle ihre Lieder selbst erfindet, komponiert. Diese sind also immer wieder neu, allerdings in einem zeitlos traditionellen Stil gehalten, der wie ein Abbild unberührter afrikanischer Landschaften wirkt. Sicherlich wäre es angemessen, sie zu einem cultural guardian zu erklären, noch viel wichtiger aber, ihr einfach einmal richtig zuzuhören.
Madosini ist also Sängerin (und hier zugleich Meisterin des umqokolo oder throat singing, einer speziellen Art von Obertongesang), Geschichtenerzählerin und beseelte Instrumentalistin auf dem Uhadi (Berimbau), Umrhubhe (Mundbogen) und Isitolotolo. (Letzteres – eine gewöhnliche Maultrommel – ist ein völlig assimiliertes afrikanisches Instrument geworden, das auf ganz eigene Art gespielt wird. Hier hat schon vor etwa hundert Jahren ein Kulturaustausch stattgefunden: Madosini’s Exemplar, das sie vor Jahrzehnten im Pondoland erworben hat, stammt aus Österreich).
Anhand ihrer Lieder erzählt Madosini die Geschichte ihres Lebens. Die Komposition, die diese Lieder miteinander verknüpft, kommentiert und begleitet mag deshalb vielleicht am ehesten als ein südafrikanisches Kammeroratorium beschrieben werden. Die hinzu- und drum herum komponierte Musik hat die Funktion, einen Rahmen für Madosini’s Ausdrucksweise zu bilden, sodass diese im Kontext eines europäischen Konzertes auch einem nicht-afrikanischen Publikum vermittelt werden kann.
Madosini eröffnet uns im 21. Jahrhundert die unverhoffte Gelegenheit, den Klang prähistorischer afrikanischer Musik zu erahnen. Gelingt es uns, unsere konventionellen Hörerwartungen zu verlassen, bietet sich die Gelegenheit eine ganz seltene Musik von größter Reinheit und Ruhe zu erleben, die unverkennbar von eben diesen Qualitäten im Lebensstil, von unendlich viel Zeit und einer tiefen Verwobenheit mit der natürlichen Umgebung durchtränkt ist. Es klingt daraus ein Stück unzerstörtes Afrika – dies allein schon ein unsagbar kostbares Gut entgegen dem sonst üblichen Tenor aus dem ‘Katastrophenkontinent’.
Noch können wir Madosini selbst erleben und ist sie wohlauf; noch ist sie uns als Verbindung zu einer uralten Tradition erhalten. Jedoch gehört sie zu den wenigen letzten authentischen Vertretern ihrer Kultur, deren Stimmen in Zeiten des globalisierten kulturellen Ausverkaufs schon fast gänzlich verstummt sind. Vielleicht nur noch für kurze Zeit werden wir die Gelegenheit haben, eine dieser Stimmen zu hören, die uns unmittelbar von einer urtümlichen Welt erzählen, wie wir sie nie mehr werden erleben können. Jeder, der dieser leisen Stimme seine Aufmerksamkeit schenkt, wird mit einem schlichten, aber menschlich und musikalisch tiefgreifenden Erlebnis belohnt.